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Was ist LRS?

Definitionen und Beispiele.

Was genau ist eine Lese-Rechtschreib-Schwäche? Gibt es allgemeine Definitionen oder Beispiele? Wir erklären die wichtigsten Fakten.

Klassifikation der Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS)
nach ICD-10

Nach der internationalen Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation ist eine Lese-Rechtschreibstörung "eine umschriebene Beeinträchtigung der Entwicklung der Lesefertigkeiten und in der Regel damit verbunden der Rechtschreibfähigkeiten, sie wird also als Entwicklungsstörung eingestuft, die nicht durch eine Intelligenzminderung, unzureichende Lernbedingungen, unkorrigierte Seh- oder Hörstörungen, ausgeprägte neurologische Defizite oder emotionale Störungen bedingt ist. Die Probleme bestehen von Anfang an und werden nicht erst später während der Schullaufbahn erworben.“ (ICD-10 der WHO; F.81) Hier werden die Schwierigkeiten als Entwicklungsstörung klassifiziert.

Unterschied LRS und Legasthenie

Eine Definition, die deutlich zwischen den Begriffen LRS, Lese-Rechtschreib-Schwäche, Rechtschreibstörung oder Legasthenie unterscheidet, gibt es bisher nicht. Legasthenie wurde ursprünglich von Neurologen ausschließlich für die Bezeichnung von Leseschwierigkeiten verwendet, im Lauf der Zeit entwickelte sich der Begriff zum Synonym für Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten, die rein physiologisch bedingt sind. Inzwischen sind sich die meisten Wissenschaftler einig, dass die Ursachen von Lese – und Rechtschreibschwierigkeiten sehr vielfältig sind und körperliche Ursachen eher selten eine Rolle spielen (vgl. Ursachen einer LRS). Der Begriff „Legasthenie“ wird daher nur noch selten verwendet.

In der Pädagogik wird eher von einer „Teilleistungsstörung bei normal begabten Kindern“ gesprochen. Damit wird die Diskrepanz zwischen einer schlechten Lese- und Rechtschreibleistung und einer normalen bzw. hohen Intelligenz betont.

Im Schulsystem wird die Abkürzung LRS für alle Ausprägungen von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten verwendet, unabhängig davon, welche Ursachen sie haben. Die Kultusministerkonferenz spricht von „besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens“. Experten verwenden die Bezeichnungen LRS bzw. Lese-Rechtschreib-Schwäche in der Regel zur allgemeinen Kennzeichnung von Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens.

Lernschwächen bei Kindern erkennen & gezielt fördern

Der Schwerpunkt professioneller Vorgehensweise liegt auf einer sorgfältigen Schwächenanalyse (vgl. LRS-Diagnostik) und einer darauf aufbauenden individuellen Förderung.

Wichtig für betroffene Eltern: behandeln Sie die Schwierigkeiten Ihres Kindes nicht als Krankheit. Ermöglichen Sie ihm vielmehr eine adäquate, wissenschaftlich fundierte Förderung, die auf den besonderen Bedarf des Kindes abgestimmt ist, ohne es zu überfordern oder zu frustrieren.

Lese-Rechtschreibschwäche

Häufige Fragen und Antworten

Was ist der Unterschied zwischen LRS und Legasthenie?

Die Begriffe Legasthenie und Lese-Rechtschreibschwäche werden häufig gleichbedeutend verwendet. Allerdings sollte man die Begriffe gegeneinander abgrenzen. Legasthenie (Lese- und Rechtschreibstörung) ist von der Weltgesundheitsorganisation als „umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten“ definiert.
Im pädagogischen bzw. schulischen Kontext werden unter dem Begriff LRS verschiedene Ausprägungen von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten bzw. Lese-Rechtschreibschwäche zusammengefasst. Dazu gehören alle Kinder, die über einen längeren Zeitraum Schwierigkeiten im Lesen und/oder Schreiben haben.

Wie erfolgt der Erwerb der Schriftsprache?

Der Schriftspracherwerb lässt sich durch folgende Stufen beschreiben (vgl. Ganser, 2000, 10ff.):

  1. logographische Stufe
    Auf dieser Stufe wird erfahren, dass Buchstaben eine bestimmte Form haben, wodurch sie sich unterscheiden. Wörter unterscheiden sich dementsprechend durch verschiedene Buchstabenkombinationen. Eine Kenntnis, dass ein und derselbe Buchstabe je nach Wort für einen verschiedenen Laut stehen kann, liegt dagegen noch nicht vor (z.B. [e] in ?Ente? klingt wie ein [ä], [e] in ?Esel? wie ein [e:]; man nennt dieses Verständnis der Zeichen-Laut-Zuordnung Phonem-Graphem-Korrespondenz; auch Buchstabenfolgen können für nur einen Laut stehen: z. B. [sch], [ch]). Aufgrund von augenfälligen Merkmalen wie Anfangsbuchstaben, Wortlänge usw. werden Wortnamen gemerkt.
  2. alphabetische Stufe
    Auf dieser Stufe erkennen die Kinder, dass nicht die Buchstabennamen (z.B. [em] für [m]) beim Lesen relevant sind, sondern die Laute. Zunächst Einzelgrapheme entziffernd, werden zunehmend auch Graphemfolgen (zwei, drei, vier Grapheme) simultan erfasst. Das Verständnis für die Phonem-Graphem-Korrespondenz wird nun erworben. Mittels Lautanalyse des gesprochenen Wortes kommen die Kinder nun zu lauttreuen Verschriftlichungen (z.B. Foia für Feuer). Will man den Kindern also das Schreibenlernen erleichtern, ist es hilfreich, an Wörtern zu üben, die eine eindeutige Zuordnung von Laut zur Schrift ermöglichen (z.B. Mama, Haus, Regen; nicht aber: Stuhl, Fuchs, Qualle).
  3. orthographische Stufe
    Ihr bisher erworbenes Wissen wird nun noch um orthographisches Regelwissen ergänzt: So gibt es Wörter, in denen Buchstaben vorkommen, die man beim Sprechen nicht erkennt (z.B. das Dehnungs-h in Wörtern wie [fahren], [wahr]). Einige Wörter und Wortteile entziehen sich sogar einer lautlichen Regelmäßigkeit (z.B. [Moor], aber [Tor] oder [Fuchs], aber [Jux]). Regelhafte Schreibungen (Prinzip der Wortfamilie, Groß- und Kleinschreibung, Dehnung, Dopplung ...) müssen gelernt werden. Es gilt also die Fähigkeit zu entwickeln, nicht lautgetreue Wörter orthographisch richtig schreiben zu können, indem man sich Regeln bewusst macht oder auswendig gelernte Verschriftlichungen aus dem Gedächtnis abruft.
  4. morphematische Stufe
    Per Anwendung und Übung der Schriftsprache wird die Buchstabenebene des Wortverständnisses verlassen. Wörter werden zunehmend an ihren Morphemen erkannt. Morphem-Einheiten sind dabei Wortstämme (z.B. [Fahr] in [fahren], [Fahrt], [Fahrstuhl]), Vorsilben, Nachsilben und Endungen ([abfahren] besteht z.B. aus der Vorsilbe [ab], dem Wortstamm [fahr] und der Endung [en]). Erkennt man die Wortbedeutung und kann die Wortstruktur analysieren, so kann man sich strittige Punkte beim Schreiben selbst herleiten (z.B. das Dehnungs-h in [Abfahrt], da der Wortstamm [fahr] bekannt ist).
  5. Stufe der Wort übergreifenden Strategie
    Nun kommen weitere Inhalte hinzu, die beim Schreiben von Sätzen bedeutsam sind: Wortart (für Groß- und Kleinschreibung bedeutsam), Wortsemantik (für die Frage nach Zusammen- und Getrenntschreibung), Satzgrammatik (z. B. Kommasetzung) und Verwendungsart des Satzes (z. B. wörtliche Rede).

Auf jeder dieser Stufen sind nun spezifische Fehler möglich, die für Defizite im jeweiligen Strategiebereich kennzeichnend sind. Diese Fehler lassen sich kategorisieren. Die Fehler rechtschreibschwacher Schüler manifestieren sich dabei überwiegend im Bereich der alphabetischen und der orthografischen Strategie (die logographische Strategie berührt vornehmlich den Leseerwerb, die morphematische und die wortübergreifende Strategie sind elaboriertere Techniken des Rechtschreibens, die eine Beherrschung der alphabetischen und orthographischen Strategie möglichst voraussetzen und/oder Grammatikfragen berühren).
Quelle: Ganser, B. (2000). Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten ? eine Störung im Lernprozess. In: Akademie für Lehrerfortbildung Dillingen (Hrsg.). Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (S. 7-15). Donauwörth: Auer.

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